Aktuelle Aspekte zur Grippeimpfung
29.10.2019
Der neue Influenza-Saisonbericht für 2018/19 vom Robert Koch-Institut ist erschienen und liefert nun auch eine erschreckende Zahl für die davor liegende Saison: Während der Grippewelle 2017/18 sind geschätzt 25.100 Menschen in Deutschland durch Influenza gestorben. (1)
"Das ist die höchste Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren", betont Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) in der dazu herausgegebenen Pressemitteilung. Die Schätzung der bundesweiten Zahl der Influenza-assoziierten Todesfälle ist generell um ein Jahr verzögert, da die Daten nicht früher zur Verfügung stehen. (2)
Der Verlauf der Grippesaison 2018/19 wird in dem Bericht als moderat eingestuft. Die Wirksamkeit der saisonalen Influenzaimpfung war insgesamt niedrig. Das lag vor allem an der A(H3N2)-Komponente im Impfstoff, die nicht gut passte. Die Tatsache, dass zum ersten Mal mehrheitlich der quadrivalente Impfstoff mit zwei B-Komponenten verimpft wurde, trug nicht zu einer besseren Wirksamkeit bei, da in der Saison 2018/19 kaum Influenza B-Viren zirkulierten. (1)
Obwohl die Effektivität der jährlichen Influenza-Impfung mit etwa 40 bis 80 Prozent – je nach Alter und Immunsituation – nicht optimal ist, betonen Experten die Wichtigkeit der Impfung. „Es gibt keine andere Impfung in Deutschland, mit der sich mehr Leben retten lässt", so RKI-Präsident Prof. Lothar Wieler.
Grippeimpfung schützt das Herz
Warum das so ist, erklärte Prof. Dr. Thomas Weinke, Gastroenterologe und Infektiologe vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden. (3)
Eine Grippe-Impfung beuge auch Lungenentzündungen vor, die häufig einer Grippe folgten, sowie Entzündungsreaktionen, die letztlich auch dem Herzen Schaden zufügen könnten. Insbesondere wenn die Influenza-Infektion auf ein arteriosklerotisch vorgeschädigtes Herz trifft, kann dies das Risiko eines akuten Herzinfarkts deutlich steigern, so Weinke, der Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Impfen beim Deutschen Grünen Kreuz e. V. ist.
Besonders hoch ist das Infarktrisiko in den ersten sieben Tagen nach Infektionsbeginn, wie eine im vergangenen Jahr publizierte Studie zeigte. „Wir haben damit eine signifikante Assoziation zwischen Influenza und Myokardinfarkt“, so der Potsdamer Infektiologe. „Insofern gehört die Grippeimpfung genauso in die Infarktpräventionsstrategie wie der Rauchstopp, der Einsatz von Statinen und die antihypertensive Therapie.“ Auch die Effektivität der Impfung sei mit dem Nutzen dieser Interventionen vergleichbar oder – im Vergleich zur antihypertensiven Medikation – sogar noch besser.
Dieser Zusammenhang ist auch in Bezug auf die Influenza-Sterberate bedeutsam: So sei das Risiko für Influenza-Todesfälle bei Personen über 65 Jahre bei Vorliegen einer chronischen Herzerkrankung 5-mal größer, bei Vorliegen einer chronischen Lungenerkrankung 12-mal größer und bei Vorliegen von beidem sogar 20-mal größer.
Zellkulturbasierter Grippe-Impfstoff erhältlich
In der Saison 2019/20 ist wieder ein in Zellkulturen hergestellter Influenzaimpfstoff verfügbar, der besonders für Allergiker und Patienten mit schwerer Hühnereiweißunverträglichkeit geeignet ist. (5, 6, 7)
Allerdings: Laut Robert Koch-Institut können Personen, die nur mit leichten Symptomen auf den Konsum von Hühnereiweiß reagieren, mit allen zugelassenen Influenza-Impfstoffen geimpft werden. Klinisch schwerwiegende Allergien (z.B. Anaphylaxie) gegenüber Hühnereiweiß sind selten. (3)
HINTERGRUND
Die meisten Influenzavakzine werden aus vorbebrüteten Hühnereiern gewonnen. Doch Grippeviren vermehren sich auch in Säugetierzellkulturen. Im Dezember 2018 erhielt ein zellkulturbasierter Impfstoff die EU-Zulassung. Es ist der einzige in Europa erhältlichen Influenzaimpfstoff, der nicht in Hühnereiern produziert werden muss. Er enthält wie die tetravalenten Grippeimpfstoffe auf Eibasis Antigene von jeweils zwei Influenza-A- und -B-Stämmen. Zugelassen ist der Impfstoff zur Grippeprophylaxe für Erwachsene und Kinder ab neun Jahren. Der Impfstoff ist das tetravalente Nachfolgeprodukt des ebenfalls zellkulturbasierten trivalenten Grippeimpfstoffs, der 2011 in den Handel kam, aber bereits seit 2016 nicht mehr erhältlich ist. (4)
Quellen:
- Robert Koch-Institut: Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2018/19 vom 30.9.2019
- Robert Koch-Institut: Pommes für die Grippeschutzimpfung? Neuer Influenza-Saisonbericht erschienen; Pressemitteilung vom 30.09.2019
- Medscape: „Mit keiner Impfung lassen sich hierzulande mehr Leben retten“ – der „Flu-Shot“ für Senioren bleibt trotzdem unbeliebt; Meldung vom 27.5.2019
- Robert Koch-Institut: Grippeschutzimpfung, häufig gestellte Fragen: Was ist bei der Influenzaimpfung von Personen mit einer Hühnereiweiß-Allergie zu beachten? Stand: 3.9.2019
- Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Influenza-Impfstoffe (Impfstoffe gegen die saisonale Grippe), Impfstoffe mit Stammanpassung für Saison 2019/2020
- Deutsche Apotheker Zeitung DAZ online: Warum Grippeimpfstoffe aus Zellkulturen besser schützen könnten; Meldung vom 06.02.2019
- arznei-telegramm: Neu auf dem Markt: Zellbasierter Grippeimpfstoff Flucelvax tetra 10.5.2019
www.arznei-telegramm.de/html/htmlcontainer.php3?produktid=043_01&artikel=1905043_01k