Hormonmangel bei Männern
Wechseljahre beim Mann? Gibt es so etwas überhaupt? Eine durchaus begründete Frage, auf die auch die meisten medizinischen Experten noch keine allgemein gültige Antwort geben würden.
Während das Klimakterium der Frau, die dabei stattfindende Hormonumstellung und deren psychische und körperliche Auswirkungen schon seit vielen Jahren intensiv untersucht werden, streitet man in Fachkreisen derzeit noch heftig darüber, ob es beim Mann einen vergleichbaren Lebensabschnitt, das so genannte Klimakterium virile, tatsächlich gibt. Sicher ist, dass mit zunehmendem Alter auch Männer unter ganz bestimmten Symptomen leiden können, die durchaus an die Wechseljahrsbeschwerden der Frau erinnern.
Das Hormonsystem des Mannes
Die männlichen Geschlechtshormone werden als Androgene bezeichnet. Eines der wichtigsten Androgene ist das Testosteron. Es spielt eine Schlüsselrolle im Leben eines jeden Mannes. Durch seine Einwirkung wird der Mann erst zum Mann: Mit Beginn der Pubertät steuert es den Stimmbruch, lässt den Bart wachsen und sorgt für die typisch männlichen Attribute wie entsprechende Körperproportionen, Muskeln und Brustbehaarung. Auch für das Wohlbefinden spielt das Testosteron eine große Rolle. Es fördert das Durchsetzungsvermögen und macht Männer etwas aggressiver als Frauen. Zudem ist es ein unerlässlicher Faktor für die Fortpflanzung - es lässt die Samenfäden reifen und ist somit die Voraussetzung dafür, dass Kinder gezeugt werden können.
Die "Kommandozentrale" für die Bildung aller Hormone im Körper liegt in einem bestimmten Teil des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Von hier aus wird das gesamte Hormonsystem überwacht und mit dem Nervensystem abgestimmt.
Alle zwei bis vier Stunden werden im Hypothalamus so genannte Freisetzungshormone produziert, die einen Kreislauf in Gang setzen: Diese Hormone aktivieren nun ihrerseits die Hirnanhangsdrüse, die Hypophyse, Botenstoffe auszustoßen, die wiederum andere Drüsen im Körper dazu anregen, Hormone zu produzieren und in das Blut abzugeben. Der Hypothalamus registriert anschließend den gestiegenen Hormonspiegel im Blut und drosselt daraufhin die Produktion der Freisetzungshormone. Diese ausgefeilte Selbstregulation sorgt dafür, dass sich der Hormonhaushalt immer in einem Gleichgewicht befindet.
Das männliche Geschlechtshormon Testosteron wird in den so genannten Leydig-Zellen der Hoden gebildet. Bei einem erwachsenen Mann werden täglich etwa 6 mg Testosteron von diesen Zellen produziert, wobei die höchsten Konzentrationen in den Hoden selbst gefunden werden, nur ein geringer Teil des Hormons gelangt ins Blut. Die Halbwertzeit des Testosterons, also die Zeit, die der Körper braucht, um das Hormon wieder abzubauen, beträgt beim Erwachsenen etwa 12 Minuten. Um einen gleichbleibend hohen Hormonpegel zu gewährleisten, muss also ständig neues Testosteron in den Leydig-Zellen hergestellt werden.
Angeborene Störungen im Hormonsystem
Durch verschiedene angeborene Störungen der Funktionen der zentralen Steuerorgane Hypothalamus und Hypophyse oder auch durch bestimmte Erkrankungen kann es dazu kommen, dass gar kein oder zu wenig Testosteron im Körper vorhanden ist. Je nachdem, seit wann ein Androgenmangel besteht oder zu welchem Zeitpunkt er zum ersten Mal auftritt, können seine Auswirkungen unterschiedlich sein.
Angeborener Testosteronmangel
Bei dem mit Abstand häufigsten angeborenen Defekt, dem Klinefelter-Syndrom, liegt eine Chromosomenstörung vor. Im Erbgut der betroffenen Männer findet man zwei X- Chromosomen statt wie im Normalfall nur eines. Das Klinefelter-Syndrom tritt bei etwa einem von 500 Männern auf. In den meisten dieser Fälle reicht aber die Testosteronproduktion noch aus, um die Pubertät einzuleiten. Libido und Potenz sind bis zum 25. Lebensjahr fast normal, lassen aber danach rasch nach, und es kommt zu den typischen Folgeerscheinungen des Testosteronmangels mit allgemeiner Antriebsschwäche, Libidoverlust und Knochenschwund. Oft sind diese Symptome der erste Anlass für den Patienten, einen Arzt aufzusuchen.
Bei fast allen diesen Patienten muss der Testosteronmangel früher oder später durch eine so genannte Substitutionstherapie ausgeglichen werden, bei der Testosteron von außen zugeführt wird.
Kallmann-Syndrom und Idiopathischer Hypogonadotrope Hypogonadismus
Diese Störungen sind deutlich seltener (1 Mann unter 6000 bis 8000 ist betroffen). Bei den Patienten kommt es wegen des fehlenden Testosterons meist gar nicht erst zur Pubertät. Auch hier muss mit Hormonen behandelt werden.
Pubertas tarda
Bei der Pubertas tarda setzt die Pubertät mit einiger Verzögerung, manchmal erst mit dem 20. Lebensjahr, ein. Das kann zu einem erheblichen Leidensdruck bei den Betroffenen führen, aber auch ihnen kann mit der Gabe von Testosteron gut geholfen werden.
Hormonmangel im Alter
Der Testosteronspiegel sinkt mit zunehmendem Alter mehr und mehr ab. Dieser Vorgang beginnt bei den meisten Männern ab dem 40. Lebensjahr.
Zu einer verringerten Produktion des Hormons Testosteron kann es unter bestimmten Umständen auch bei "normalen" Männern kommen. So können erschöpfende körperliche Arbeit oder Hochleistungssport die Hormonkonzentration ebenfalls kurzfristig senken. Probleme ergeben sich daraus in der Regel nicht.
Viel bedeutender ist, dass auch im Alter die Produktion des Testosterons bei nicht wenigen Männern nachlässt. Im Gegensatz zur Frau, bei der die Hormonproduktion in den Wechseljahren relativ abrupt beendet wird, vollzieht sich dieser Vorgang beim Mann über einen wesentlich längeren Zeitraum. Bekannt ist, dass ab etwa dem 40. Lebensjahr der Testosteronspiegel bei vielen Männern stetig sinkt. Mit jedem weiteren Jahr verringert sich danach die Hormonproduktion um etwa ein bis zwei Prozent. Allerdings trifft dies nicht in gleichem Maße für alle Männer zu, die individuelle Schwankungsbreite ist sehr groß, und bei manchen Männern findet man auch in höherem Alter noch Hormonmengen wie bei einem Dreißigjährigen.
Dennoch geht man davon aus, dass immerhin bei jedem fünften Mann zwischen 60 und 80 Jahren ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Testosteronmangel vorliegt. Und vielfach treten dann die gleichen Beschwerden auf, wie wir sie bereits für die Patienten beschrieben haben, die unter einem angeborenen Hypogonadismus, also dem Mangel an Geschlechtshormon leiden.
Obwohl auch Männer unter den Symptomen leiden, nehmen sie ihre "Wechseljahresbeschwerden" nicht richtig ernst. Deshalb einen Arzt aufzusuchen, kommt nur wenigen in den Sinn. Doch neben einer allgemeinen Verringerung der Lebensqualität kann ein ausgeprägter Testosteronmangel auch zu schwerwiegenden Erkrankungen, wie zum Beispiel Knochenschwund (Osteoporose), führen. Das Risiko für gefährliche Knochenbrüche, vor allem des Oberschenkelhalses, steigt dadurch deutlich an, und die Lebenszeit kann sich erheblich verkürzen. Durch einen Besuch bei einem "Männerarzt", einem Urologen, und eine richtige Hormonersatzbehandlung können solche Probleme meist vermieden und die Lebensqualität bis ins hohe Alter erhalten werden.
Symptome
Neben dem Nachlassen des Geschlechtstriebes manifestieren sich die "Wechseljahre" beim Mann in erster Linie in Abgeschlagenheit und Lustlosigkeit. Und das betrifft auch die Lust auf den Partner. Die Libido, also der Sexualtrieb, schwindet ebenfalls ganz allmählich. Das muss gar nichts mit nachlassender Potenz zu tun haben. Man könnte zwar, aber man will eigentlich nicht.
Selbst im Beruf häufen sich möglicherweise die Probleme. "Mann" ist nicht mehr so aggressiv wie früher, die Durchsetzungsfähigkeit lässt dementsprechend deutlich nach. Auch dies kann eine direkte Folge des sinkenden Testosteronspiegels sein, wenngleich sich die Wissenschaftler noch nicht so ganz darüber einig sind, welchen Einfluss Testosteron wirklich auf die Aggressivität hat.
Doch auch der Körper verändert sich, wenn das männliche Geschlechtshormon nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Die einstigen Muskelpakete - soweit vorhanden - werden immer weniger, dafür nehmen die Fettpölsterchen deutlich zu. Und auch das allgemeine Erscheinungsbild leidet. Die Haare wachsen langsamer, die Haut sieht nicht mehr frisch und rosig aus, sondern wird blaß, fahl und faltig, unter anderem deshalb, weil die Produktion des Blutfarbstoffes Hämoglobin herabgesetzt ist. Auch diese wird durch Testosteron beeinflusst, und in schwereren Fällen kann es zu einer Anämie (Blutarmut) kommen.
Mit abnehmendem Testosteronspiegel steigt das Risiko für schwere Knochenbrüche. Osteoporose wird von vielen fälschlicherweise immer noch als eine reine Frauenkrankheit angesehen. Mit steigendem Lebensalter leiden aber auch immer mehr Männer unter dem schleichenden Knochenschwund. Testosteron spielt dabei eine entscheidende Rolle im Knochenstoffwechsel. Eine Verminderung des Testosteronspiegels führt dazu, dass das komplizierte System von gleichmäßigem Knochenaufbau und -abbau durcheinander gerät. Fehlt der Einfluss des Hormons, wird mehr Knochensubstanz abgebaut: der Knochen "schwindet". Die Folge sind Knochenbrüche - vor allem im Bereich der Wirbelsäule - , die sozusagen aus heiterem Himmel entstehen, also ohne die Einwirkung eines Unfalls oder Sturzes.
Für viele an Osteoporose Erkrankte endet der Lebensabend deshalb frühzeitig im Rollstuhl. Aber auch wenn es nicht so weit kommt, wird das Leben durch starke Schmerzen erschwert, die jeden Schritt vor die Haustür zur Qual machen. So ziehen sich Betroffene immer mehr zurück und vereinsamen zusehends.
Die oben genannten Symptome können jedoch auch Ausdruck einer anderen ernst zu nehmenden Erkrankung sein. So können Krankheiten, die die Leber, die Nieren oder das Kreislaufsystem betreffen, zu ähnlichen Beschwerden führen. Denn auch sie können unter Umständen einen Abfall des Testosteronspiegels bewirken. Ebenso können Tumorerkrankungen, die die Steuerzentralen im Gehirn betreffen, die beschriebenen Symptome auslösen.
Wenn man also bei sich selbst mehrere der genannten Anzeichen feststellt, sollte man einen Arzt aufsuchen, damit dieser die möglichen Ursachen genau abklären kann.
Behandlungsmöglichkeiten
Um den Testosteronwert zu messen, genügt normalerweise eine einfache Blutuntersuchung. Der Normalwert des Testosterons beim erwachsenen Mann ist international auf 12 bis 35 nanomol/l festgelegt worden (12 nanomol/l entsprechen 3,5 nanogramm/ml). Werte unter 10 nanomol/l gelten als krankhaft und sollten behandelt werden.
Hat der Arzt einen erniedrigten Testosteronspiegel diagnostiziert und konnte er andere zugrunde liegende Erkrankungen ausschließen, kann der gestörte Hormonspiegel durch die Gabe von Testosteron wieder normalisiert werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das fehlende oder nur in unzureichender Menge produzierte Hormon dem Körper zuzuführen. Immer aber wird das natürliche Testosteron verabreicht, wie es der Hoden selbst normalerweise produziert. Es handelt sich also nicht um ein "künstliches Hormon".
Als "Oldies" in der Testosterontherapie gelten Implantate, kleine Zylinder aus reinem Testosteron, die in einem einfachen ambulanten Eingriff unter lokaler Betäubung in die Bauchdecke eingepflanzt werden. Diese Implantate geben über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten den Wirkstoff ab. Da sich der Testosteronzylinder langsam selbst aufbraucht, sinkt der Testosteronspiegel stetig ab, so dass sich zum Ende der Wirkungszeit die alten Beschwerden wieder einstellen können, weil der Hormonspiegel unter das Normalniveau gefallen ist.
Ebenfalls schon seit vielen Jahren verwendet man Testosteroninjektionen, die in zeitlichen Abständen in einen Muskel (meistens in den großen Gesäßmuskel) gespritzt werden. Das tut nur kurz weh und wird daher in der Regel von den Patienten als nicht besonders belastend empfunden. Die Injektionen erfolgen im Regelfall in Abständen von zwei bis vier Wochen. Allerdings hat auch diese Form der Therapie Nachteile. Kurz nachdem die Spritze verabreicht worden ist, steigt der Testosteronspiegel steil an, fällt dann aber gegen Ende des Wirkungszeitraumes auch ähnlich steil wieder ab. Viele Männer empfinden dies als unangenehm, denn der natürliche Verlauf des Testosteronspiegels sieht anders aus.
Testosteron kann auch in Form von ölhaltigen Kapselnverabreicht werden. Wenn sich die Kapseln im Darmtrakt auflösen, wird das Testosteron über die Lymphe in die Blutbahn abgegeben. Gelegentlich treten Bauchbeschwerden auf. Ein echter Nachteil ist jedoch, dass die Kapseln dreimal am Tag eingenommen werden müssen, da die Halbwertszeit des Testosterons sehr kurz ist. Die schwankenden Blutspiegel werden vom Patienten nicht als ideal wahrgenommen.
Bei der transdermalen Therapie werden Pflaster verwendet, die das Testosteron enthalten, und die entweder am Körper oder aber am Hodensack (Skrotum) selbst aufgetragen werden. Das skrotale Pflaster wird täglich gewechselt und morgens nach der Morgentoilette angebracht. Nach drei bis sechs Stunden werden die höchsten Testosteronkonzentrationen im Blut gemessen. Im Laufe des Tages gibt das Pflaster dann kontinuierlich 6 mg des Hormons ab. Das Hormonpflaster hat sich als angenehme Therapiemethode erwiesen, da der dadurch erreichte Verlauf des Testosteronspiegels weitestgehend den natürlichen Tagesschwankungen des Hormons entspricht. Denn bei gesunden Männern findet sich die höchste Testosteronkonzentration am Morgen und fällt dann zum Abend hin stetig. Im Gegensatz zum skrotalen Pflaster muss bei dem nichtskrotalen Pflaster ein Alkohol verwendet werden, der die Haut für das Testosteron durchlässiger macht. Das kann in manchen Fällen zu unangenehmen Hautreizungen führen.
Wichtiger Hinweis!
Die Therapie mit dem Geschlechtshormon bewährt sich seit vielen Jahren. Für junge Patienten mit einem angeborenen Hormonmangel bedeutet sie einen wahren Segen. Denn wenn - wir haben es ja bereits angesprochen - bereits von Geburt eine Erkrankung der Keimdrüsen vorliegt, findet keine Pubertät statt: Da der Kehlkopf nicht wächst, bleibt der Stimmbruch aus, die Geschlechtsmerkmale entwickeln sich nicht richtig. Und auch die Geschlechtsorgane selbst werden ungenügend ausgebildet.
Aber auch für Männer, die unter den "Wechseljahren" leiden, kann eine Therapie mit Testosteron eine große Erleichterung bedeuten. Schließlich möchte "mann" ja auch im Alter seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit erhalten. Die Abnahme der sexuellen Aktivität ist sicherlich ein großes Problem, das durch eine Therapie mit dem Geschlechtshormon in den Griff zu bekommen ist - ganz zu schweigen von den wirklich ernsthaften Folgen eines zu niedrigen Testosteronspiegels wie beispielsweise der Osteoporose. Klinische Studien haben gezeigt, dass mit solchen Pflastern eine effektive Therapie der Testosteronmangelsymptome erreicht werden kann. Damit werden eine deutliche Verbesserung der Libido, eine Zunahme der sexuellen Aktivität und auch der Erektionsfähigkeit erzielt.
Allerdings vermag Testosteron hier keine Wunder zu vollbringen. Bei nachlassender Potenz wird durch die Hormongabe alleine nur selten eine Besserung erreicht. Die mangelnde Erektionsfähigkeit hat meist noch vielfache andere Ursachen und sollte dementsprechend gezielt untersucht und behandelt werden.
Bevor mit einer Testosteronbehandlung begonnen werden kann, müssen unbedingt noch einige wichtige Punkte vom Arzt geklärt werden. Testosteron kann das Wachstum eines bereits bestehenden Krebses der Vorsteherdrüse, der Prostata, verstärken. Dann verbietet sich der Einsatz des Hormons selbstverständlich. Es ist daher wichtig, dass zu Beginn und während der gesamten Therapie regelmäßige Untersuchungen durch einen Arzt - am besten durch einen Urologen oder Endokrinologen - vorgenommen werden.