Zum Tag des Hörens am 14. Mai 2014
Besser hören, wenn Hörgeräte nicht mehr helfen
(dgk) Wir telefonieren, unterhalten uns, schauen Filme an oder hören Musik. Hören gehört ganz selbstverständlich zu unserem Alltag. Dass gutes Hören die Voraussetzung für Kommunikation und ein aktives Leben ist, wird uns erst bewusst, wenn das Hörvermögen nachlässt oder völlig ausfällt.
Bundesweit können rund 14 Millionen Menschen nicht gut hören, zweieinhalb Millionen davon sind mit Hörgeräten versorgt.
Doch in manchen Fällen reichen auch hochentwickelte und leistungsstarke Geräte nicht mehr aus. Betroffene merken das zum Beispiel daran, dass sie zwar noch hören, aber oft nicht verstehen, was andere sagen. Außerdem wird es schwieriger, den Beiträgen in TV und Radio zu folgen. Auch Telefonieren mit Fremden wird zu einer Herausforderung. Hören und Verstehen erfordert für hörgeschädigte Menschen viel Kraft und Anstrengung. Sie ziehen sich daher oft aus dem sozialen Leben zurück.
In diesen Fällen kann ein so genanntes Cochlea-Implantat (kurz „CI“) helfen, wieder besser zu hören. Das CI ist eine elektronische Innenohrprothese, die als Ersatz ausgefallener Innenohrstrukturen dient und das Hören ermöglicht. Es wird chirurgisch unter die Kopfhaut, hinter dem Ohr, platziert, mit einem Elektrodenträger, der in die Cochlea (Hörschnecke) eingeführt wird.
Seit mehr als 30 Jahren wird diese Therapie in Deutschland durchgeführt. Bundesweit wurden bislang etwa 30.000 Menschen erfolgreich mit einem Cochlea-Implantat versorgt. In Fachkreisen gilt diese Behandlung als eine der effektivsten Therapien in der Medizin, da das CI die Funktion des Innenohres und somit einzigartig ein Sinnesorgan ersetzt.
Das Cochlea-Implantat kann in jeder Altersstufe für mehr Lebensqualität sorgen, auch im hohen Alter. Wichtig ist eine möglichst frühzeitige Versorgung. „Denn das Gehör entwöhnt sich – die Fähigkeit, Sprache und Geräusche zu differenzieren, geht zunehmend verloren. Je früher mit der Versorgung begonnen wird, desto leichter wird die Rehabilitation“, weiß Prof. Dr. Dr. h. c. Roland Laszig, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Poliklinik, Plastische Operationen des Universitätsklinikums Freiburg. Wer also trotz Hörgerät nicht mehr ausreichend versteht, sollte die Chance zum besseren Hören nutzen und zum HNO-Arzt gehen, um sich dort beraten zu lassen.
Übrigens sind Cochlea-Implantate auch bei einer plötzlichen Ertaubung durch einen Hörsturz sehr effektiv, denn die Höreindrücke sind im Gehirn noch präsent. Kinder, die gehörlos auf die Welt kommen und frühzeitig implantiert werden, haben die Chance, eine Regelschule zu besuchen, wie jedes gut hörende Kind auch.
"Seit ich ein Cochlea-Implantat trage, ist mein Leben schöner“, fasst Silke M. aus Hessen ihr Lebensgefühl zusammen. Sie kann ihrem Beruf als Personalsachbearbeiterin nachgehen und genießt es, in ihrer Freizeit zusammen mit anderen Sport zu treiben. Früher hatte sie Probleme beim Telefonieren und musste bei Gesprächen von den Lippen des Sprechers absehen.
Pünktlich zum Tag des Hörens gibt das Deutsche Grüne Kreuz e. V. in diesem Jahr zwei neue Broschüren zum Thema Cochlea-Implantat heraus und stellt unter www.dgk.de/Cochlea-Implantat Informationen im Web zur Verfügung.
Quellen:
(1) Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e. V. (DCIG), www.dcig.de
(2) Deutscher Schwerhörigenbund e. V. (DSB), www.schwerhoerigen-netz.de
(3) Initiative www.ich-will-hoeren.de
INTERVIEW
Wer sich nicht mehr in der „hörenden Welt“ befindet, zieht sich zurück in die Einsamkeit – ein Implantat kann das Hören zurückholen.
Prof. Dr. Dr. h. c. Roland Laszig, ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg macht sich seit vielen Jahren stark für die Integration von tauben und hörbehinderten Menschen. Im Jahr 2005 wurde dafür mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Roland Laszig hatte in Hannover in den 80er-Jahren am Aufbau des weltweit größten Cochlea-Implantat-Zentrums mitgewirkt. Nach seiner Berufung an das Universitätsklinikum Freiburg im Jahr 1993 hat er das dortige Implantat-Centrum als Kompetenzzentrum für Baden-Württemberg und Referenzzentrum für andere europäische Einrichtungen aufgebaut.
DGK: Die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat gehört seit über 30 Jahren zu den effektivsten Therapien in der Medizin. Man spricht sogar davon, dass es die einzige Therapie sei, die ein Sinnesorgan ersetzen kann. Doch immer noch ist diese Möglichkeit, besser zu hören, vielen unbekannt, auch Menschen, denen Hörgeräte nicht mehr ausreichend helfen können. Was denken Sie, sind die Gründe dafür?
R. L.:Es ist in der Tat richtig, dass Cochlea-Implantate schon seit 30 Jahren Menschen effektiv helfen können, wieder besser zu hören. Und es ist tatsächlich auch die einzige Therapie, die ein Sinnesorgan funktional ersetzen kann. Nach wie vor gibt es jedoch Vorbehalte gegenüber dem Cochlea-Implantat, die nicht zuletzt aus Unkenntnis resultieren. Dazu gehört auch die Angst vor einer Operation, da die Operationsrisiken nicht richtig eingeschätzt werden.
Und wir hören immer wieder, dass Patienten in der Beratung mitgeteilt wurde, ein Cochlea-Implantat lohne sich für sie nicht mehr. Oder es wird behauptet, dass die Patienten nicht vernünftig mit einem Cochlea-Implantat hören können, weshalb die Therapie keinen Sinn mache. Diese Behauptungen sind alle falsch. Natürlich besteht eine gewisse Abhängigkeit von der Technik, so müssen die Patienten beispielsweise die Akkus aufladen, Batterien wechseln und die extern zu tragenden Teile pflegen. Die meisten Patienten, die mit einem Cochlea-Implantat versorgt wurden, haben jedoch einen extrem großen Nutzen davon. So kann zum Beispiel die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit dem Cochlea-Implantat sogar telefonieren. Vorurteile halten sich eben lange. Das wissen Hörgeräteakustiker am besten, denn auch sie haben das Problem, dass der Ruf der Hörgeräte – und das ist völlig ungerechtfertigt – immer noch zu wünschen übrig lässt.
DGK: Welche Hör-Erfahrungen haben die Menschen gemacht, die zu Ihnen kommen?
R. L.:Kurz zusammengefasst besteht die Indikation für ein Cochlea-Implantat immer dann, wenn Patienten auch mit den besten konventionellen technischen Hörhilfen, wie zum Beispiel Hörgeräten, nicht mehr ausreichend versorgt sind, z. B. nicht mehr telefonieren können. Diese Patienten haben dann in ganz normalen Alltagssituationen Schwierigkeiten zu hören, insbesondere dann, wenn es in der Umgebung lauter ist – und das ist eigentlich die Realität im täglichen Leben. Die Folge, sich nicht mehr in der hörenden Welt zu befinden und Sprache nicht mehr zu verstehen, führt auch dazu, dass diese Menschen in eine soziale Isolation und Vereinsamung geraten. Sie ziehen sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück, erfahren berufliche Nachteile und haben damit auch eine erhebliche psychische Belastung. Im Regelfall kann diesen Patienten tatsächlich mit einem Cochlea-Implantat auf einem Ohr oder auf beiden Ohren geholfen werden.
Das komplette Interview finden Sie unter www.dgk.de/Cochlea-Implantat
Unsere Broschüren
Die Informationsbroschüre „Hören mit CI – Wenn Hörgeräte nicht mehr ausreichen“ enthält alle wichti-gen Informationen dazu, was ein CI ist und wer da-von profitieren kann. Es wird die Funktionsweise ei-nes CI erklärt und die einzelnen Schritte, die zu einer Versorgung gehören.
In der Broschüre „Leben mit CI – Erfahrungsberichte“ kommen CI-Träger zu Wort. Sie schildern ihre ganz persönlichen Erlebnisse aus dem Leben mit einem Cochlea-Implantat.
Beide Broschüren können kostenlos bestellt werden:
Deutsches Grünes Kreuz e. V.
Hören mit CI / Leben mit CI
Biegenstraße 6
35037 Marburg
Oder über unsere neue Website
www.dgk.de/Cochlea-Implantat